Bildung neu erfinden

Vor 30 Jahren wurde beschlossen, einen Staat zu schließen und ihn an einen bestehenden anzuschließen. Wir wollten das so. Eine andere Möglichkeit schien es nicht zu geben. Das aber alles, was in diesem Staat existierte, einfach eingestampft würde, damit hatte wohl kaum jemand gerechnet. Angefangen von den Betrieben bis hin zur Bildung. Alles weg und dem neuen System angeglichen.

Das war vor 30 Jahren. 

Heute sieht es in unserer Bildungslandschaft nicht rosig aus. Um es auf den Punkt zu bringen, unsere Bildung ist miserable. 

Viele der sogenannten neuen Modelle erwiesen sich als Luftnummer. Angefangen bei Schreiben wie hören bis hin zur vereinfachten Ausgangsschrift.

Noch vor kurzem habe ich mich mit einer Pseudolehrerin darüber auseinandergesetzt, dass man heutzutage den Kindern das Schreiben nicht mehr so beibringen kann, wie wir das in der Schule gelernt haben bzw. wie ich das in meinem Studium lernte. Die Begründung lautete, die lieben Kleinen würden das Handgelenk überanstrengen, wenn sie vom ersten Tag an mit Füller die Schreibschrift lernen. Deshalb ist es nur zu gut, dass sie mit Bleistift in Druckbuchstaben schreiben und später die vereinfachte Ausgangsschrift erlernen. Das sei ausreichend, denn schließlich schreiben sie später alle mit PC und dafür brauchen sie keine Schreibschrift lernen. So lief damals die Diskussion. Ich wurde als rückschrittig und am Zopf der DDR klebend deklariert. Ich nahm es hin, versuchte, dem neuen System etwas Positives abzugewinnen. Schließlich bin ich ja bildungsfähig, zumindest wurde mir das einst bescheinigt.

Dennoch liefen all meine Bemühungen ins Leere. Schade oder zum Glück?

Zum Glück. Denn dass ich mit meiner Auffassung nicht falsch lag, zeigt sich gegenwärtig. Seit einiger Zeit häufen sich die Forderungen nach der Wiedereinführung der Schulausgangsschrift (der Schulschrift der DDR). 

Als Begründung führt man auf, dass das krakelige Schriftbild nicht nur unleserliche Texte produziert, sondern auch vermehrt Fehler. Eine neue Erkenntnis? Anscheinend schon, auch wenn es für gestandene DDR-Pädagogen schon längst zu erwarten war. 

Teilweise sind die Schüler nicht mal in der Lage, ihre eigenen Texte zu lesen. Was ist daran fortschrittlich? 

Alle bisherigen Bildungsneuerungen haben sich bisher als Flop erwiesen. 

Oder wie sonst lässt sich erklären, dass man die Hauptschule, so wie sie einst existierte, auslaufen lässt und auch das Gymnasium nicht mehr den Stellenwert innehat wie einst? Vielmehr ist die Gemeinschaftsschule oder auch Gesamtschule im Aufwärtstrend. Und das mit Recht. Welches Kind oder auch welches Elternteil kann am Ende der Grundschulzeit behaupten, dass das Kind für das Gymnasium geeignet ist. Die Entwicklung eines Kindes beginnt doch erst mit Eintritt in Klasse 5. Dann folgen Pubertät und Orientierung. Erst zu diesem Zeitpunkt weiß ein Kind, in welche Richtung es tendiert. Alles andere ist ein Verbrechen. Somit rechtfertigt sich auch die Gesamtschule. 

Was mich allerdings immer noch wundert, ist die Tatsache, dass es noch immer so viele Menschen gibt, die nicht erkennen, dass hier das Fahrrad noch einmal neu erfunden wird. Nicht nur in der Bildung. Sollten wir uns nicht hin und wieder mal fragen, ob alles - wirklich alles - in der DDR so schlecht war, dass wir mit wehenden Fahnen der BRD nachliefen. 

Heut frage ich mich immer häufiger, ob es uns nicht vielleicht besser getan hätte, wenn wir als separater Staat uns aus dem Dilemma herausgekämpft hätten. 

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Kerstin Schulz