Bürgergespräch beim Bürgermeister

Über Sinn und Unsinn eines Bürgergesprächs

"Sie gehören zu meinen größten Kritikern", so begann das Bürgergespräch bei meinem Bürgermeister. 

Diese Aussage musste ich erst einmal korrigieren, denn ich war und bin nicht der Kritiker. Ganz im Gegenteil, ich habe mich nach Amtsübernahme verbal stets schützend vor den neuen BM gestellt, da mir einige Angriffe zu unfair waren.

Dennoch ist es nicht von der Hand zu weisen, dass es genügend Punkte in der Stadt gibt, die es unbedingt zu verbessern gilt. Da hilft es wenig, wenn mir vor Augen geführt wird, was in der aktuellen Legislaturperiode bereits erreicht wurde. Den überwiegenden Teil des Erreichten habe ich selbst zur Kenntnis genommen. Ich hatte auch nicht um den Termin gebeten, um mir vor Augen führen zu lassen, was bereits getan wurde, sondern ich hatte das Bedürfnis, dem BM darzulegen, wo ich als Bürger unbedingten Verbesserungsbedarf sehe. Da geht es nicht um Meckerei. Ganz im Gegenteil, bevor ich um diesen Termin gebeten hatte, habe ich mir viele Gedanken darüber gemacht, was man wie verbessern kann. Mag sein, dass mir bei dem einen oder anderen der notwendige Einblick fehlt. Das herauszuarbeiten ist aber Sinn und Zweck solcher Treffen zwischen Bürgern und BM. 

Ich möchte als Bürger der Stadt Greiz, die eine so weitreichende Geschichte hat, stolz und zufrieden in dieser Stadt leben, möchte mich mit meinen Gedanken und Vorstellungen in die Gestaltung der Stadt einbringen. Mir ist durchaus bewusst, dass nicht alles realisierbar ist. Da sorgt schon der Geldbeutel der Stadt dafür. Allerdings kann es auch nicht sein, dass eine so von der Textilindustrie geprägte Stadt weiterhin dem Verfall preisgegeben wird. Es kann und darf ncht sein, dass die Stadt geprägt ist von Häusern, an denen der Zahn der Zeit nagt und die letztendlich nur noch der Abrissbirne übergeben werden können. Es darf auch nicht sein, dass das Stadtbild von Pflegeheimen geprägt ist. Ich will damit keineswegs in Abrede stellen, dass es nicht notwenig ist, für Senioren und Pflegebedürftige angemessene Unterkünfte zu schaffen, die es ihnen ermöglicht, den Lebensabend in einem liebevollen Umfeld zu genießen. 

Doch lassen Sie mich jetzt ein paar Fakten auflisten, die mir auf der Seele brennen und die ich mit teilweise mit dem BM besprochen habe und auch von ihm gern und wohlwollend aufgenommen wurden.

Bereits kurz nach der Wende sah man in Greiz die Zukunft der Atadt im Tourismus. Bis heute fehlen entsprechende Hotels, um Gäste anzulocken. Ferienwohnungen sind ein Teil, doch gehe ich von mir aus, möchte ich im Urlaub mich morgens an einen gedeckten Tisch setzen und nicht noch für mein "feudales" Frühstück im Vorfeld auf die Jadg gehen. Ja, es gibt Angebote. Doch reichen die bei Weitem nicht aus. Hier müssen Investoren gefunden werden. In dieser Zeit ist das eine enorme Herausforderung, weil bereits in der Vergangenheit viel versäumt wurde. 

"Anlocken" von Gästen? Ja, das hatte ich geschrieben. Im ZUge der Umweltfreundllichkeit wollen oder sollen mehr Gäste mit dem Zug kommen. Erreicht man das beschauliche Städtchen an der Elster, ist man aber eher geneigt, den Bahnstig sofort nach dem Ausstig zu wechseln, um den Zug in die entgegengesetzte Richtung zu besteigen. Dass dies nicht in den Händen der Stadt direkt liegt, ist mir bekannt. Doch die Stadt muss dringend Verhandlungen mit der Bahn aufnehmen, um diesen Missstand zu beseitigen, denn der Bahnhof ist keinesfalls einladend, weder für Touristen noch für Teilnehmer an solchen Veranstaltungen wie das gerade stattfinndende Wundsymposium.

Auch hier wünsche ich mir mehr Unterstützung der Stadt oder auch des Landkreises, denn gerade so eine Veranstaltung kann mit dazu beitragen, der Stadt ein Alleinstellungsmerkmal zu geben. Somit wäre auch die Nutzung der Vogtlandhalle gewährleistet. Doch auch hier braucht es wiederfür die Teilnehmer angemessene Übernachtungsmöglichkeiten in ansprehenden Hotels.

Und schon bin ich beim nächsten Punkt meiner Kritik. Teilnehmer solcher Veranstaltungen oder auch Touristen wollen versorgt sein mit kulinarischen Köstlichkeite der Region. Das fängt beim Catering in der Vogtlandhalle an und hört bei einem niveauvollen Mittagessen in der Stadt auf. Mir selbst war es fast unmöglich mit meinem Freund in Greiz zu Mittag zu essen, weil fast alle Restaurants um diese Zeit noch den Schlaf der Grechten halten. Das einzige, was wir zur Auswahl hatten, war die Pizzeria in der Bahnhofstraße. 

Als ich diesen Kritikpunkt anbrachte, stimmte mir der BM uneingeschränkt zu. Er versuchte nicht einmal ansatzweise diese Situation schönzureden. Stattdessen legte er mir seine Erfahrungen bezüglich der Gastro während der Körperweltenausstellung dar. Da blieb mir gelinde gesagt der Mund offen stehen. Ich fragte nach, ob er das gerade wirklich gesagt hatte. Und mein Entsetzen war enorm.

Liebe Gastronomen, gerade so eine Veranstaltung bringt euch die Kohle, die ihr in der Corona Zeit eingebüßt habt. Dafür muss man aber auch aus dem Quark kommen. Da werden eben Sonderöffnungszeiten eingeführt. Habt ihr allen Ernstes gedacht, ihr schadet damit dem BM, den ihr vielleicht nicht leiden könnt? Sorry, wenn ich das jetzt so sage, aber so ein Verhalten grenzt schon an Dummheit. Ihr seid selbstständig. Das heißt selbst und ständig arbeiten. Flexibilität und Kreativität sind nicht die Eigenschaften, die man hier in Greiz übermäßig findet. 

Ich habe darüber mit Bekannten gesprochen, die auch in der Gastro arbeiten. Ihre Reaktion war ein Kopfschütteln. In diesen Monaten hätte die Gastro in Greiz in Zusammenarbeit mit der Stadt das Geld des Jahres machen können. 

Auch wenn ich gebürtige Greizerin bin, ist es mir ungreiflich, dass man dreißig Jahre nach der Wende immer noch nicht begriffen hat, dass die Zeit, in der man um 16 Uhr zu Hause am Kaffeetisch sitzt, vorbei ist. 

Jeder muss sich selbst drehen. Schimpfen ist einfach. Doch sich selbst einzubringen, in welcher Form auch immer, ist das, was uns hier in dieser Stadt fehlt. Berechtigt bezeichnet man uns als das kleine zänkige Bergvolk. Was viele aber noch nicht begriffen haben, sie schaden dabei sich selbst mehr, als ihnen lieb ist und jammern dann, dass es hier und da mangelt. 

Jeder hat die Möglichkeit, sich auf die eine oder andere Weise einzubringen. und ja, oft stößt man auf Widerstände. Das muss ich immr wieder erleben. Doch wer nichts wagt, der hat schon verloren. 

Liebe Greizer, ich wünsche mir für uns, dass wir mehr wagen, dass wir mehr an einem Strang ziehen. Gemeinsam unsere Stadt wieder lebenswert gestalten, denn lebenswert ist unsere Stadt nicht. Weshalb sonst ziehen so viel junge Menschen weg und kommen auch nicht wieder? Es liegt daran, dass sie für sich hier keine Chancen sehen. Was hilft eine traumhafte Umgebung, wenn alles andere drumherum nicht passt. Arbeit gibt es hier mittlerweile genug. Doch es mangelt an Exklusivität und Qualität des Lebens. Wir brauche dafür nicht in die westlichen Bundesländer zu gehen. Da reicht mir schon der Blick nach Sachsen. Dort sieht man in den Dörfern rund um Meißen die Liebe zu Detail, liebevolle Gestaltung des Lebens und des Wohnumfeldes. Das kann jeder für sich selbst tun. 

Auch wenn ich jetzt einen Shitstorm ernte, es war es mir wert.

Mein Fazit beim Besuh des BM: Ja, er macht sicher nicht alles richtig, aber nur gemeinsam können wir die Stadt gestalten. Dazu braucht er kritische Bürger und Bürgr, die bereit sind, etwas zu wagen und sich einzubringen. Netzwerke sind hierbei wichtig. 

Wie das aussehen könnte, werde ich in einem nächsten Artikel beschreiben.

 

 

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Kerstin Schulz