Tom Wolfe: "Im Fegefeuer der Eitelkeiten"

Zur Einstimmung auf „Back to the Blood“ gelesen. Durchgekämpft. Es war schon schwere Kost. Aber auch wieder mal etwas anderes als nur die pure Unterhaltung.

Eindrucksvoll schildert Wolfe das vielschichtige Leben in New York City, der Stadt, von der man behauptet, dass sie niemals schlafe. Gekonnt lässt er den Leser zwei Stadtteile durchstreifen, die gegensätzlicher nicht sein können. Die Bronx und Manhattan.

Sherman ist erfolgreich und braucht sich um Geld keine Sorgen zu machen. Doch der Preis für dieses vermeintliche Glück ist hoch. Perfekt in jeder Lebenslage. Fehler haben schwerwiegende Folgen.

Sein Kontrahent Lawrence Kramer versucht als Staatsanwalt sich durchs Leben zu schlagen. Dass die beiden einander eines Tages gegenüberstehen, ist eher unwahrscheinlich.

Doch dann passiert das, womit keiner gerechnet hat. In Begleitung seiner Geliebten Mary, die an diesem Tag den Wagen von Sherman McCoy fährt, werden beide in einen Unfall hineingezogen. Alles geschieht, als sie flüchten wollen, weil sie von zwei Jugendlichen in der Bronx überfallen werden. Warum sie in der Bronx landen? Ganz einfach. Weil Mary sich verfahren hat. Beim Zurückstoßen wird einer der beiden angefahren. Einen Tag später fällt dieser junge Mann ins Koma. Gefundenes Fressen für die Boulevardpresse und für einen auf Krawall gebürsteter Reverend aus Harlem, der seine Position ausnutzt, um zu manipulieren.

Ihnen allen, auch dem frustrierten Staatsanwalt, wird Sherman McCoy zum Fraß vorgeworfen. Sein einst so genussvolles Leben bricht entzwei. Er muss erkennen, dass die Oberflächlichkeit, die er einst so ausgekostet hatte, auch genauso schnell einen Menschen zum Absturz bringen kann.

Eindrucksvoll erzählt Wolfe das Leben der Großstadt. Leicht, hemmungslos, egoistisch. Auch wenn das FAZ-Magazin den Roman als komödiantisch beschrieben hat, bekommt der Leser schnell eine Abneigung gegen das immer so gepriesene Leben von NYC. Menschen und Gefühle haben hier keine Bedeutung. Was zählen sind Macht und Geld. Wer das besitzt, kann alles haben, sich alles leisten. Doch dafür ist Sherman noch nicht hoch genug geklettert auf der Karriereleiter. Zudem hat er sich kurz zuvor einen beinahe unverzeihlichen Fehler geleistet. Der Unfall, der eigentlich nur im Zuge der Notwehr geschah, ließ ihn ohne Netz abstürzen und brutal auf dem Leben aufschlagen.

Nach dem Roman musste ich unweigerlich Parallelen zu unserem heutigen Leben ziehen. Hat uns NYC eingeholt? Zählen doch auch in unserer heutigen Gesellschaft nur noch Macht und Geld. Die Oberflächlichkeit in zwischenmenschlichen Beziehungen hat längst Einzug gehalten und gehört mittlerweile zum guten Ton. Wer dem nicht standhalten kann, geht unbeachtet unter. Natürliche Selektion? Menschenverachtung? Man kann es nennen, wie man will.

Wolfe versteht es ausgesprochen gut, den Leser in die Position des Beobachters zu setzen. Er urteilt und verurteilt nicht. Er lässt dem Leser den Raum, sich selbst zu positionieren. Macht gerade diese Fähigkeit seinen Erfolg aus? Auch wenn man dieses Buch anders liest, als die meisten der aktuellen Bestseller, so ist es doch ein Erlebnis.

 

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Kerstin Schulz